Dorfleben 1955
Mühlenecho
Rönsahl in den 50er- Jahren
von Karl-Friedrich Marcus
Die Sonne wandert Richtung Feldhof. Die schrillen Töne der Kreissägen verklingen. Die Besen kratzen nicht mehr über den Bürgersteig. Alles wird ruhiger im Dorf.
Auf der Bank vor dem Haus wird eine Pfeife angezündet. Ein ruhiges Zwiegespräch beginnt. So nach und nach wird auch das laute Spielen der Kinder ruhiger.
In die laue Frühsommerluft mischt sich der Geruch von Holzfeuern und Brikett-Qualm. Aus immer mehr Schornsteinen der Häuser quillt weißer Rauch. Es ist Samstag-Abend. Das Badewasser wird aufgeheizt.
Vom Turm der Servatius-Kirche klingen die Glocken. Nicht wie sonst abends die große Abend-Glocke sondern alle drei Glocken. Sie läuten den Sonntag ein.
Sonntag, das bedeutete Ruhe, Besinnung und Erholung. Sonntag, das bedeutete auch ein freier Tag im Kreis der Familie. Ein Samstagabend mit einem guten Buch, der Plausch mit Nachbarn vor dem Haus auf der Bank oder bei schlechtem Wetter auf dem Holzkasten neben dem Küchenofen. Es konnten aber auch ein oder zwei Bier in der Leie sein.
Die Kinder fielen nach dem Spiel in frischer Luft schon am frühen Abend ins Bett und träumten von den Wasserspielen im Bach oder im Strandbad, vom Baumhaus neben dem Hohlweg oder von mutigen Indianern.
Die Älteren konnten schon mal beim Freunden zelten und machten in der Nacht manchmal auch harmlosen Unsinn.
Ganz egal was in der Nacht von Samstag auf Sonntag ablief, Sonntagmorgen gab es mit dem Morgenläuten um 9:00 Uhr Frühstück. Um 10:00 Uhr traf man sich in der Kirche. Die Kinder kamen zum Kindergottesdienst mit dem Küster Oskar Graf und seinen Söhnen.
Nach der Kirche eilten die Frauen heim um ein leckeres Mittagessen zu kochen. Suppe, durchwachsenes Fleisch und ein leckerer Nachtisch gehörte zum Standard.
Die Männer trafen sich je nach Lust und Laune in der Leie, der Post oder bei Freunden. Die Politik im Dorf oder im Verein wurde gemacht. Und auch das eine oder andere Geschäft wurde abgeschlossen.
Telefon, Handy, Internet, Fernsehen, verkaufsoffener Sonntag und verstopfte Autobahnen waren damals kein Thema und so wirklich vermisst hat es Keiner. Man hatte noch Zeit für einander und ein persönliches Gespräch und teilte so Freud und Leid mit Freunden und Nachbarn. Schön, daß in der heutigen, manchmal viel zu hektischen Zeit noch immer viele Rönsahler diese alten Werte pflegen.
(die „Leie“ war das Hotel an der Hauptstraße – die „Post“ ist jetzt „Finchens Wirtshaus“)