Bergbau
Mühlenecho
Von Wald, Kohlen und Eisen
Mit dem Erz fing alles an....
Der Werdegang der Industrie, die unsere Heimat im Laufe der Jahrhunderte geprägt hat, wäre so nicht gelaufen, wenn es das Metall nicht gegeben hätte. Am Anfang war es der Brauneisenstein, den unsere Vorfahren aufsammelten und in einfachen Öfen das Eisen herausschmolzen. Die erste große industrieelle Entwicklung machte unsere Heimat, als man lernte, die Wasserkraft für die Verhüttung zu nutzen. Hunderte von Eisenschmelzhütten entstanden nun an den Bachläufen von Agger, Volme, Kerspe, Wipper, Leppe ,Sülz und deren Zuflüssen.
Aber wie kam das Eisenerz in unseren Boden?
Machen wir einen geologischen Ausflug in die Erdgeschichte:
In der Devonzeit vor 395 bis 360 Millionen Jahren lag unsere Heimat auf dem Meeresboden eines flachen Meeres. Durch seine Lage nahe dem Äquator war das Wasser tropisch warm. Eine entsprechende Flora und Fauna herrschte vor. In flachen Lagunen bildeten sich sonnendurchflutete Korallenriffe, Seelilienwälder wogten in den Wellen, Gliedertiere wie Trilobiten, aber auch Würmer,Schnecken und Krebse besiedelten den Meeresgrund und die ersten Fische schwammen in den warmen Fluten. Große Mengen Sedimente wurden von den Flussdeltas der Küsten des im Norden angrenzenden Old-Red Kontinentes in das Meer gespült. Zusammen mit den Rückständen von abgestorbenen Meerestieren und Pflanzen, die wir heute noch als Fossilien finden können, bildeten sich Ablagerungsschichten, die eine Dicke von mehreren Kilometern erreichten.
In der nachfolgenden Karbonzeit stieg Magma aus dem Erdinneren auf und hob den Meeresboden an. Während der Variskischen Faltungsära wurde diese Platte gegen den Old-Red Kontinent gedrückt. Es kam zu Faltungen und Verwertungen und ein Hochgebirge, so wie die Alpen oder der Himalaja entstand.
Doch schon gleich setzte die Verwitterung ein und das Gebirge wurde im Laufe der Jahrmillionen durch Wasser, Frost, Sonne und Wind wieder abgetragen. So ist unser sanftes Bergisches Land und das angrenzende Sauerland der Rest dieses Hochgebirges, gebildet aus Meeresboden.
Woher aber kam das Eisen in den Boden?
Nun, während der Auffaltung stiegen unter hohem Druck hydrothermale (heiße, wässrige) Lösungen in die Spalten und Klüfte auf. Das Gebirge kühlte langsam ab und die gelösten Stoffe kristallierten je nach Temperatur und Druck in unterschiedlichen Tiefen aus. Dabei entstanden Metallerze und bildeten in den Klüften die Erzgänge.
Nahe der Oberfläche veränderten sich das Gestein und die eingelagerten Erze. In der Verwitterungszone verbanden sich die meisten Metalle mit Sauerstoff. So wurde Eisen zu Brauneisenstein umgewandelt, oder einfach ausgedrückt: es rostete.
Dieser Brauneisenstein bildete – bergmännisch ausgedrückt – den Eisernen Hut. Dort, wo der Eisenstein an der Oberfläche zutage kam, konnte das Erz einfach aufgesammelt werden. In den sogenannten „Kuhlen“ gruben die Bergmänner der Frühzeit dem Erzgang nach.
In unserer näheren oberbergischen und märkischen Heimat können wir zwar keine über zweitausendjährige Bergbau-Tradition nachweisen, aber die hier überall zu findenden Bodenrelikte deuten auf eine rege Bergbautätigkeit hin, die bis ins Mittelalter zurückreicht.
Eng verbunden mit dem Bergbau ist die nachfolgende Erzschmelze, die in der näheren Umgebung der Erzfundstätten durchgeführt wurde. Die dort gefundenen Reste der Schmelzöfen, meist aber nur der Schlackenhalden ermöglichen eine Datierung. Die Forschungsarbeiten des 2003 verstorbenen Lüdenscheider Manfred Sönnecken brachten erstaunliche Ergebnisse zutage. Bis 1971 hatte er im märkischen Sauerland 1116 Standorte der Eisenverhüttung durch frühe Rennfeueröfen und spätere Massenöfen aufgefunden und kartiert. Da, wie erwähnt, die Erzschmelze, auch Verhüttung genannt, nicht weit von den Fundstellen der Erze geschah, müssen die dazugehörenden Bergbaustätten vorhanden gewesen sein.
In unseren Wäldern entdeckt der aufmerksame Beobachter leicht trichterförmige Vertiefungen oder Gräben. An manchen Stellen sieht der Boden regelrecht durchgewühlt aus. All das können Relikte von frühen Bergbautätigkeiten sein, müssen es aber nicht. Sehr vielfältig sind die Möglichkeiten, welche solche Unregelmäßigkeiten im Waldboden verursacht haben. Das können z. B. Alte Windbruchflächen sein oder auch Bodenveränderungen, die in den Kriegen (Schützengräben/löcher, Bombentrichter) entstanden sind. Oft ist es aber doch so, dass Menschen dort etwas gesucht und meist auch gefunden haben. Das können Steine sein, dann ist meist ein Steinbruch in der Nähe. Man brauchte zum Beispiel Grauwacke-Steine zum Haus- und Straßenbau, Kalksteine zur Herstellung von Dünger oder Branntkalk für den Hausbau, Schiefer für Dächer und Hauswände.
Zwischen den Steinschichten befinden sich Klüfte und Spalten, in denen sich Quarze und metallische Erze gebildet haben. Diese Erzlager wurden von den frühen Bergleuten gesucht. Dort wo die Erzgänge an die Oberfläche kamen, verwitterte neben den umgebenden Steinschichten auch das metallhaltige Gestein. Sauerstoff und Wasser, Kälte und Hitze veränderten das Material und entstanden brüchige Steinbrocken, die leicht zu brechen und aufzusammeln waren. So kann man sich den ersten Bergbau vorstellen, als Einsammeln von Erzbrocken von der Oberfläche.
Bald aber war der Vorrat an oberirdisch liegende Metallsteinen, den sogenannten Molterstücken oder Mollsteinen, erschöpft und man musste dem Erzgang nachgraben. So entstanden die Kuhlen, im volkstümlichen Sprachgebrauch auch Mollkaulen oder Mollkauten genannt. Während die Molterstücke oder Mollsteine am Berghang unterhalb des Ausbisses, das ist die Stelle, wo der Erzgang an die Oberfläche kommt, aufgesammelt wurden, wurden die Kuhlen direkt am Ausbiss gegraben. Diese befanden sich meist oben auf dem Berg. Generell kann man davon ausgehen, dass an dem Hang, an dem Bergbautätigkeiten zu finden sind, die obersten Bodenveränderungen die ältesten sind.


Geheimnisvolle Namen und Sagen
Zahlreiche Bodenrelikte, die man in unserer oberbergischen und märkischen Heimat finden kann, zeugen von einer umfangreichen Bergbautätigkeit. Mitunter fallen beim Kartenstudium Flurnamen auf, die auf ein Bergwerksfeld, einen Kalksteinbruch oder eine Verhüttungsstelle hindeuten. Da gibt es in unserer näheren Umgebung Namen wie Silberkuhle, Wildenkuhlen, Hütteberg. In der heimischen Sagenwelt tauchen oft Motive aus der Welt des Bergbaus auf.
Eine sehr schöne Abhandlung zu diesem Thema steht in einem alten Bergischen Kalender, welche gleichzeitig eine Einführung in viele bergbauliche Begriffe bietet.
Aus der Vorgeschichte des oberbergischen Bergbaues.
Von Studienrat Otto Bäcker, Gummersbach
Mit einer kleinen Geschichte aus dem nördlichen Siegkreis soll begonnen werden. - Auf dem Talboden oberhalb eines Hofes liegt eine alte Bergwerkshalde. „An der Silberkaule“ nennen die Anwohner dort die Wiesen. Der Wald am Berghang heißt „in den Pingen“. Die Felder auf Bergeshöhe tragen die lurbezeichnung „am alten Bergwerk“. Keiner der Bewohner des Hofes (ein Neunzigjähriger war darunter) wußte etwas vom einstigen Bergbau. Zu Großvaters Zeiten sollte dort zuletzt „gebergt“ worden sein. Die Sage wußte aber Genaueres vom alten Betrieb. Sie erzählte von großen Schätzen, die einst dort gewonnen wurden. Die Bergleute wurden reich. Der schlichte fromme Sinn, der vorher bei den Familien herrschend war, war nur noch bei den Alten zu finden. Übermut und Verschwendung traten immer mehr hervor. Als einst trotz Warnung der Alten die jungen Leute am Sonntag im Bergwerk arbeiteten, hörte man ein seltsames Getöse im Berg. Man lachte über das Warnungszeichen und veranstaltete abends ein wildes Fest am Berghang. Da brach unter großem Lärm der Berg zusammen und begrub die Festteilnehmer unter sich, und seitdem ist es mit dem Reichtum an Bodenschätzen vorbei. Man erzählt noch, es sei später versucht worden, die alten Schatzkammern zu finden. Alle Anstrengungen waren aber vergeblich; so gab man schließlich das „Bergen“ auf.
Wir wollen versuchen, uns die einzelnen Teile der Sage verständlich zu machen. - Zuerst ist daran zu erinnern, daß früher kleine Mengen von Erz wertvoll und wichtig waren. Die Schätze, die man aus dem Berge gewonnen hatte, dürfen wir uns also nicht zu groß vorstellen. Die Gewinnung auch kleiner Erzmengen lohnte sich, da die Arbeit für wenig Entgelt geleistet wurde. Zudem zogen die meisten Landleute im Herbst und Winter, wenn sie wenig Arbeit auf den Feldern hatten, aus, um sich als Bergleute zu betätigen. Man nahm die Wünschelrute mit und suchte die Stellen auf, wo man schon vorher Erzstücke gefunden hatte. Erzsteine bleiben, wo sie schlecht verwittern, lange auf der Erdoberfläche liegen. Nun ließ man die Rute sprechen, die in der Johannisnacht unter geheimnisvollen Bräuchen geschnitten war, ein Gabelzweig sollte besonders wirksam sein. Durch Ausschlag der Rute suchte man zuerst den Verlauf der Erzader festzustellen. Da man dabei die Oberfläche der Erde genau beobachtete, fand man das Erz gewöhnlich bald. Nun begann man zu graben. Quergräben wurden angelegt, mit deren Hilfe man weiter Auskunft über die Aussichten beim „Bergen“ erhalten wollte. Da man von oben aus an den Erzgang zu kommen suchte, erreichte man zuerst die Erze, die im „Eisernen Hut“, im oberen Teil des Ganges zu finden waren.
Die meisten Erzgänge zeigen im zu Tage Ausgehenden eine andere Erzführung als in der Tiefe. Da sich gewöhnlich Brauneisenstein mit Quarz oben im Gange findet, ist der Ausdruck „Eisener Hut“ aufgekommen. Den gefundenen Brauneisenstein konnte man schon früh im Ofen auf Eisen verarbeiten.

Es war altbekannt, daß sich unter dieser Zone, „dem Ausbiß“, immer eine Anreicherung wertvoller Erze lag. An diese kam der einzelne bei seinen Arbeiten aber selten. Darum schloß man sich zu mehreren zusammen. Denn man konnte jetzt nicht beim oberflächlichen Bergbau bleiben, sondern mußte kleine Stollen bauen. Dazu reichte die Arbeitskraft e i n e s Mannes nicht aus.
Natürlich baute man nun keine Gänge, die man aufrecht durchschreiten konnte; sondern machte sie so klein wie möglich, ½ m breit und nicht viel höher, so daß man sie nur an Ort kriechen konnte. Man baute die Gänge so klein, um wenig wertloses Gestein losbrechen zu müssen. Man gebrauchte noch kein Pulver zum Sprengen, sondern lockerte das Gestein durch „Feuer setzen“. Man zündete ein starkes Holzfeuer unter oder neben dem Gestein an, das gelockert werden sollte. Waren die Steine durch das Feuer stark erhitzt, so begoß man sie mit Wasser. Die schnelle Abkühlung brachte Risse im Gestein hervor, an die man Schlegel und Hammer ansetzen konnte. Solche kleinen Gänge hat man bei vielen Bergwerken in der Nähe von Ründeroth gefunden. Die Bergleute nennen sie „Gänge des alten Mannes“. Die Kleinheit der Gänge deutete man früher so, daß man sie den Zwergen andichtete,
die den Menschen bei der Arbeit geholfen hätten. In solchen alten Gängen des Oberbergischen fand man Bronzespangen , durch die man in diesen Gegenden uralten vorrömischen Bergbau glaubt feststellen zu können.
Durch die kleinen Gänge kam man zu den Erzen, die unter dem „Eisernen Hut“ lagen. Es treten da hauptsächlich Bleierze auf und dazu noch häufig silbereiche Bleierze. Die Anreicherung wertvoller Erze kam dadurch zustande, daß durch Einfluß des Grundwassers die Erze der Schwermetalle aus den oberen Teil des Ganges aufgelöst wurden und in tiefer Lage wieder ausgefällt wurden. Die Zinkerze, die man früher nicht verwenden konnte, wurden hauptsächlich gelöst und in größerer Tiefe erst wieder abgesetzt als die Bleierze, die man also beim Stollenbau zuerst erreichte. Der Spateisenstein der Gänge ist meist, soweit das Grundwasser reicht, in Brauneisenstein verwandelt.
Nun baute man die Bleierze, aus denen man das Silber gewinnen konnte, ab. Natürlich kümmerte man sich nicht darum, die Gänge fest und sicher zu machen. Ein Ausbau erfolgte gar nicht. Wenn man nur in solcher erzreichen Zone viele Gänge gebaut hatte, so verlor bisweilen der Berg seinen Halt, und durch irgend ein Veranlassung, etwa einen starken Gewitterregen, begannen die Gänge zusammen zu sacken. Es wird das warnende Geräusch gewesen sein, daß die Leute hörten. Ist der Berg aber einmal in Bewegung geraten, dann ist ein völliger Einsturz unvermeidbar. Nach dem Einsturz lohnt es sich meist nicht mehr weiter zu graben, da die erzreichsten Stellen abgebaut sind.
In der Sage wird der Einsturz höheren Mächten zugeschrieben. Es ist die Strafe für Übermut und Gottlosigkeit. In ähnlich lautenden Sagen des Lüderichgebietes ist der Fluch eines Bettlers, der vergeblich um Almosen bei den reichen Bergleuten flehte, die Veranlassung für den Bergsturz.
Wir gingen von einer Sage aus. Immer zeigen Sagen eine gewisse phantastische Ausschmückung. Mancher, dem diese Seite der Erzählung den meisten Eindruck machte, hat wohl gedacht, wozu so etwas Erdichtetes erörtern. Und doch – lassen wir Unwichtiges beiseite, so sehen wir, daß auch die Erzählung der Menschen, wie sie in der Sage ihren Niederschlag findet, für uns Geschichte werden kann.
Quellen:
Karl Schmitz: „Erdgeschichte des Oberbergischen“
Mathias Döring: „ Eisen und Silber – Wasser und Wald“
Kierspe – Wirtschaft – Kultur – Geschichte, herausgegeben von der Sparkasse Kierspe-Meinerzhagen, 1994
Spurensuche im Eisenland, Ute Bosbach, Verlag W. Stössel, 2006
Eisen und Silber – Wasser und Wald, von Mathias Döring, Verlag Die Wielandschmiede, 1999
Bild: aus „De Re Metallica“, G. Agricola, 1556
„Bergischer Kalender“ - Ein Heimatjahrbuch von 1930
Bilder: aus “De re metallica“ von Georgius Agricola
Regina
Marcus, im Oktober 2010

Brauneisenstein